Wie so meist und voll nach Plan gingen um 11 Uhr vormittags die Leinen los.
Unser Schiff war gut vorbereitet. Wir hatten alles getankt, proviantiert, ja sogar vorgekocht und die Crew war super motiviert für unseren nächsten Schlag nach Sardinien. Hinaus ging es erstmal durch das riesige Hafenbecken von Palma und weiter in den Golf. Die Kathedrale war auch vom Wasser gut zu sehen und begleitete noch lange unsere Fahrt an der Küste. Zuerst konnten wir noch richtig gut segeln und wir fuhren am Wind mit drei Beaufort Richtung Nacht. In den darauffolgenden Stunden starteten wir dann doch wieder den Motor, um uns durch die Flaute zu manövrieren.
Das Dienstrad funktionierte gut und der Wachplan hat sich in der Crew langsam eingespielt. Mein Teamkollege klagte noch etwas über Schlafstörungen, doch ich war mir sicher, dass auch er sich an diese Herausforderung der Langfahrt schnell gewöhnen würde.
Die Nächte sind noch kalt im Februar und sie sind lang. Bis jetzt hatten wir Glück mit dem Wetter und die Temperaturen waren gut erträglich. Naja, um ehrlich zu sein hatte ich auch sehr viele Schichten Kleidung an meinem Körper. Mit Skiunterwäsche, Shirt, Fleecepullover, Jacke, Haube und Handschuhen war es halbwegs auszuhalten. Die schwierigsten Momente waren in den Nachtstunden aus der Koje aufzustehen, wenn der Wecker nach nur zwei Stunden Schlaf schon wieder den nächsten Dienst einläutete. Nacht für Nacht war es doch immer wieder eine neue Überwindung die wärmenden Decken zu verlassen und sich ans Ruder zu begeben. Die Disziplin der Mannschaft war sehr hoch und auch die Motivation und unser Durchhaltevermögen war ungebrochen, und so konnten wir diesen etwas widrigen Umständen sehr positiv gegenübertreten. Aus Nacht wurde Tag, und der Sonnenaufgang war eine kleine Belohnung für diese Strapazen. Einem Kaffee in der Früh folgte der Vormittag, und ein gemeinsames Mittagessen an Deck hielt die Laune hoch bis zum nächsten Abend und zum Sonnenuntergang. Der Rhythmus der Zeit ist ein sehr besonderer auf See. Die Uhrzeit ändert auf Langfahrt ihre Bedeutung. Die Sonne, Mond und auch die Sterne geben ein neues Tempo vor.
Völlig uninteressant sind manche Dinge, die zu Hause so wichtig erscheinen und ganz kleine Sachen sind es manchmal, die auf See an Aufmerksamkeit gewinnen.
Drei Tage und Nächte waren bereits vergangen, seit wir von Palma abgelegt hatten. Seit einigen Stunden waren ein paar Lichter von Sardinien erkennbar. Mit einer ETA von 1235 sollten wir in Cagliari einlaufen. Wir waren unter Segel, und der Wind nahm immer weiter zu. Mit Windstärke 7 auf halbem Wind konnten wir richtig gut Fahrt machen. In den frühen Morgenstunden des 07. Februars war nun auch die Küste von Sardinien deutlich erkennbar. Wir umrundeten das Kap mit stark gerefften Segeln, und langsam ließ sich auch der Hafen erkennen. Meterhohe Wellen kamen uns an der Ansteuerung in der Bucht von Cagliari entgegen. Jetzt traf uns auch der Wind von vorne, und ein Aufkreuzen wäre nur wenig sinnvoll gewesen. „Ein starker Empfang von den Sarden“, dachte ich, und legte den Gashebel nach vor. Der Motor lief mit 2400 Umdrehungen unserem Ziel entgegen. Jede zweite Welle schlug über das Schiff, doch wir trotzten den Umständen und erreichten wenig später die schützenden Wellenbrecher im Hafen. Die Marineros, die uns mit großen Augen und offenen Mündern empfingen, konnten es kaum glauben, dass bei dieser Witterung und zu dieser Jahreszeit ein Segelboot hier einlaufen möchte. Mit einem gekonnten Manöver jedoch hatten wir unser Boot längsseits an einer Mole in der Marina Portus Karalis in Cagliari festgemacht.
Jetzt war wieder Ruhe an Bord und die Freude war groß diesen langen Schlag erfolgreich hinter uns gebracht zu haben. Eine Nacht ausschlafen, gemütlich Essen gehen und sich auch mal der Körperpflege widmen – das sind diese kleinen, ja alltäglichen Dinge, die plötzlich so an Bedeutung gewinnen.
Auf nach Sizilien! Capo d’Orlando wartet
Am nächsten Tag verließ uns ein Crewmitglied und die Reise ging zu zweit weiter. Dies war bereits im Vorfeld so ausgemacht und somit Teil meiner Planung. Die nächste Etappe – in drei Tagen von Sardinien nach Sizilien – verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Fast schon routiniert spulten wir unsere Dienste in dem Zweierrad ab und erlebten dabei ein recht harmonisches und ruhiges Zusammenspiel in unserem kleinen Team. Ein kleines Leuchten auf einem Berg fiel uns in der Nacht auf, als wir die Küste erreichten. Wir vermuteten, dass es sich dabei um den Vulkan Ätna handeln könnte, der seit ein paar Tagen wieder an Aktivität zugenommen hatte. Etwas dunklen Sand am Boot hatten wir auch bemerkt, und dachten, dass es sich um Asche handeln könnte.
284,1 nautische Meilen zeigte unsere Logge, als wir den Hafen der Marina Capo d’Orlando auf Sizilien erreichten. Der Ort war mir bereits bekannt, da ich hier schon einmal im Zuge einer Überstellungsfahrt zu Gast war. Auch dieses Mal wurden meine Erwartungen an diese so freundliche und schöne Hafenanlage nicht enttäuscht. Nach einem kurzen Funkspruch mit meiner Ankündigung an die Marina wurden wir auch schon empfangen und zu einem schönen Liegeplatz begleitet.
11FEB070022MEZ – angelegt und festgemacht. Erst im Hafen bemerkten wir, dass unser Schiff von einer Schicht Ascheregen überzogen war. Dunkler, ja fast schwarzer, grobkörniger Staub lag über das ganze Boot. Deck, Bimini, Sprayhood – alles schwarz. Wir erfuhren von dem Marinero, dass der Ätna vergangene Nacht ausgebrochen war und ganze Teile von Messina mit Asche beregnet hatte. Teilweise wurde dadurch der Verkehr in dieser sonst quirligen Stadt lahmgelegt und das öffentliche Leben stark beeinträchtigt. Er lachte, als er unser Boot genauer begutachtete und meinte dazu „Jaja, so ist er, der Ätna.“ Unsere Aschenhaube sah tatsächlich wild aus, doch konnte diese mit Wasser sehr schnell entfernt werden. So war für uns der Bootputz die erste Arbeit um 07 Uhr in der Früh in Capo d’Orlando, in der noch sonst sehr verschlafenen Marina.
Nun hatten wir wieder einen ganzen Tag Zeit zum Entspannen und für die Vorbereitung der Weiterfahrt. Zuerst gingen wir ins Office zu einer sehr freundlichen Sizilianerin, die alle unsere Daten in ihren Computer klopfte, alle unsere Papiere einscannte und in einer angenehmen Professionalität den Check-in für uns erledigte. Der Supermarkt in der Marina hatte leider geschlossen und so war es mit unserer Proviantierung leider nicht gut bestellt. Nicht dass wir dringend etwas gebraucht hätten, aber unterwegs hatten wir uns die letzten Tage bereits überlegt was wir vielleicht Besonderes kochen werden, um unsere gemeinsamen Abendessen zu einem kulinarischen Event werden zu lassen.
„Naja, werden es halt doch wieder die Dosenravioli“, dachte ich mit einem tränenden Auge und einem leichten Schmunzeln, denn unsere Bordküche hatten wir sehr gut im Griff. Es fehlte an nichts. Wir hatten uns selbst bei rauer See Brot gebacken und täglich wurde frisch gekocht, und wir verwöhnten unsere Gaumen mit guten und auch gesunden Gerichten.
Die Ravioli aus der Dose hatte ich tatsächlich die gesamte Reise nicht angerührt 😊
Ich verbrachte den Nachmittag mit der weiteren Routenplanung. Mein Passageplan, den ich mir sehr genau zurechtgelegt hatte, zeigte mir die Strömungen der Straße von Messina, durch die unsere nächste Etappe führen würde. Es gibt eine sehr nützliche Seite im Internet dazu, die die Strömungen grafisch als auch in Tabellenform für jedes beliebige Datum präsentiert: http://www.correntidellostretto.it/
Es gibt mehrere Berichte über dieses Nadelöhr – manche, die diese Passage verharmlosen, und wohl auch einiges an Seemannsgarn wird über diese Meeresenge berichtet, die bereits in der Antike vielen Schiffen und sogar Odysseus fast zum Verhängnis wurde.
Ich holte mir die aktuellen Wetterdaten ein, schrieb das Logbuch, ging die Checkliste der Kontrollroutinen durch und bereitete mich in aller Ruhe auf den morgigen Schlag vor.
Durch die Straße von Messina
Die nächste Etappe wird uns durch die Straße von Messina und um die südlichste Spitze Italiens bringen. Durch Verkehrstrennungsgebiete, Fährverbindungen, Großschifffahrt und durch stark frequentierte Fischereigebiete. Vorbei an Santa Maria de Leuca und die italienische Küste hoch bis in den großen Handelshafen von Brindisi, dessen Ansteuerung auch ein interessantes Erlebnis werden wird.
Einen ruhigen Abend genossen wir bei einer Pizza und einem Glas Wein in einem der Restaurants in der Marina. Das Schiff und wir waren gut vorbereitet für die weitere Reise. Eine Reise an der Küste Siziliens; nach Torre Faro, Capo Peloro und Punto Faro, in die Straße von Messina und in neue Abenteuer.
Wir starteten bereits am Vormittag aus der Marina und nahmen Kurs entlang der sizilianischen Küste Richtung Osten. Nach meinen Berechnungen würden wir genau zu der Zeit am Eingang der Straße von Messina sein, wenn die Strömung sich nach Süden wendet. So hatten wir erstens weniger Strömung und dann die darauffolgenden Stunden den Gezeitenstrom in unsere Fahrtrichtung.
Pünktlich um 20 Uhr passierten wir das Capo Peloro bei Punta Faro und stachen in das Fahrwasser Richtung Süden. Es war wie erwartet ganz ruhig und doch bemerkten wir, dass unser Schiff anders im Wasser lag als die vielen Tage zuvor. Das Ruder reagierte seltsam und unser Kurs verlief nicht mehr in einer schönen geraden Kurslinie. Im Scheinwerferlicht der Stadt konnte man die Wasseroberfläche sehr gut beobachten. Kleine spitze Wellen kräuselten sich und ließen das Wasser kochend erscheinen.
Es rauschte und plätscherte wie an einem Wildbach, und die Yacht fühlte sich auch ganz ähnlich an wie auf einer Raftingtour. Wir genossen jedoch dieses Erlebnis und bestaunten die Naturgewalten, in denen wir uns bewegten. Langsam nahm die Strömung immer weiter zu und wir fuhren richtig schnell durch den Kanal. Mit dieser Geschwindigkeit würden wir in wenigen Stunden durchkommen und könnten die Tide voll auskosten. Wir standen zu zweit im Cockpit und waren sehr konzentriert am Ausguck. Fischerboote waren kaum zu sehen, jedoch der Fährverkehr war sehr lebhaft.
Immer wieder querten die Linienschiffe unsere Route und so blieben wir im Fahrbereich der Sportboote, um die großen nicht zu behindern. Der Hauptverkehr war ganz klar bei Messina, den wir so gegen Mitternacht langsam hinter uns ließen. Hier wurde es wieder etwas ruhiger und wir nahmen, sobald wir das Verkehrstrennungsgebiet verlassen hatten, einen neuen Kurs auf das Kap Sparmento auf. Die Reise ging weiter um die Südspitze Italiens. Unser Wachplan war mittlerweile schon völlig zur Routine geworden und so verging Stunde um Stunde, Tag für Tag, Seemeile um Seemeile, bis wir zwei Tage später zu der Ansteuerung auf Brindisi gelangten.
Ich hatte uns bereits per Mail angekündigt und einen Platz in der ohnehin halbleeren Marina reserviert. Um etwa 01 Uhr nachts am 15. Februar liefen wir in den Hafen ein. An der Ostkardinale vorbei und dem Sektorenfeuer folgend waren wir auf einem sicheren Weg Richtung Marina. Nach erfolgter Anmeldung bei Traffic Control auf Kanal 16, funkte ich nun auch dem Piloten auf Kanal 12, dass wir uns im Einlaufen befinden. Nach einem weiteren schnellen Funkspruch in die Marina bekamen wir die freundliche Antwort, dass zwei Marineros auf uns warten und uns am Pier empfangen werden. Gesagt, getan. Angelegt, festgemacht, und dann war es Zeit für das Bettchen.
Unsere weitere Reise verlief genau nach Plan und wenig spektakulär. Am darauffolgenden Tag überquerten wir die Adria und landeten auf der Insel Lastovo in Kroatien. Dort wurde einklariert und wir setzten unsere Fahrt an der Küste Richtung Norden weiter fort. Hier fühlten wir uns bereits ein wenig angekommen, da die Küste Kroatiens und natürlich auch Istriens uns sehr gut bekannt waren. Am Weg nach oben besuchten wir noch Losinj, lagen für eine Nacht in Rovinj und kamen schließlich ein paar Tage später im Golf von Triest an.
Die Freude war riesig, als wir in den neuen Heimathafen einliefen!
Immerhin waren wir 22 Tage auf See unterwegs, viele Stunden und Nächte in durchgehender Fahrt. Insgesamt 1.493 Seemeilen haben wir von der Küste Spaniens bis in die obere Adria zurückgelegt.
Anstrengend war es, aber auch faszinierend. Tolle Abenteuer und Erlebnisse werden in meiner Erinnerung an diese Zeit zurückbleiben. Die sternklaren Nächte, mit manchmal viel Wind und richtig Welle, dann auch mal Flaute und Delfine. Der Ausbruch des Ätna, der rot leuchtend am Gipfel erkennbar war, und der das Boot in einen Aschenbecher verwandelte. Die Straße von Messina mit ihren Strömungen und dem vielen Verkehr. Die Küsten der Adria, und das Strahlen in den Gesichtern der Eigner als sie ihre Segelyacht im sicheren Hafen wussten.
All das nehme ich mit von dieser Reise auf der Überstellungsfahrt von Valencia nach Lignano.
In schon wenigen Tagen geht es wieder zur See und ich werde wie immer bereit sein.
Bereit für neue Abenteuer!
Vielen Dank für das Interesse an meinen Berichten.
Liebe Grüße und Handbreit,
Euer Martin
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